Architektur und Brandschutz – passt das zusammen?
Prof. Hanspeter Kolb | 25. Oktober 2021
Für viele Architektinnen und Architekten will Brandschutz nicht so recht zum Gestalten und Entwerfen passen. Brandschutz ist zwar ein Thema der Sicherheit und sichere Gebäude wollen ja alle. Trotzdem bleibt er ein notweniges Übel, das die Planung verkompliziert und zudem noch viel kostet. Muss das so sein?
Die Gründe für dieses Missbehagen sind vielschichtig: Verdrängung der Herausforderung bis zum letzten Moment, mangelnde Kommunikation zwischen den Beteiligten, ungenügende Ausbildung usw. Dabei würden die aktuellen Vorschriften den Planenden viele Möglichkeiten bieten, wenn Brandschutz frühzeitig im Entwurf berücksichtigt würde und Synergien zu anderen Anforderungen beim Bauen sinnvoll genutzt würden. Dazu ein paar Beispiele:
Nutzungen – Brandabschnitte – Fluchtwege
Bei Gebäuden wie zum Beispiel Büro, Gewerbe und Industrie sowie Schule oder Verkaufsgeschäfte können zuordenbare Nutzungen wie Sitzungszimmer, Schulräume, Gruppenräume Verkaufsflächen, Garderoben usw. im gleichen Brandabschnitt zusammengefasst werden (weitere Beispiele siehe VKFBSR 15-15 Brandschutzabstände Tragwerke Brandabschnitte).
Zu beachten sind dabei zwar noch die maximalen Brandabschnittsflächen und die Fluchtwege (speziell die vertikalen Fluchtwege). Nutzt man den gegebenen Spielraum aber konsequent aus, entstehen viele «Freiflächen» für den Betrieb der Gebäude und es können enorm Kosten eingespart werden. So kann in einem Schulhaus ein horizontaler Fluchtweg als «normalen Korridor» ohne spezifische Einschränkungen genutzt werden.
Brandabschnittsbildende Wände (z.B. zwischen Schulzimmer und Korridor) fallen weg und somit auch die Brandschutzanforderung an die Türen. Beim Beispiel Schule kann diese Brandabschnittsfläche ohne Nachweis max. 3'600 m2betragen und über mehrere Stockwerke durchgehen. Nur die Decken und das Tragwerk müssen die Feuerwiderstandsanforderungen der Gebäudehöhenkategorie erfüllen.
Schallschutz – Brandschutz
Praktisch jede Geschossdecke und fast jede Innenwand muss Schallschutzanforderungen in Abhängigkeit der jeweiligen Raumnutzung, des Raumvolumens und der gemeinsamen Trennfläche erfüllen (siehe SIA 181 / 2020). Werden diese Anforderungen erfüllt bzw. das entsprechende Bauteil verfügt über die erforderliche Schalldämmung, ist der geforderte Feuerwiderstand mit der vorgesehenen Konstruktion oft auch erreicht und dies unabhängig von der Materialisierung. Dieser Zusammenhang gilt praktisch für jede Betondecke, Holzdecke oder Wohnungstrennwand. Hier kann also sicher nicht vom «Kostentreiber Brandschutz» gesprochen werden.
Holzschutz – Brandschutz
Bauten mit Holzfassaden werden immer grösser und vor allem höher. Dies gilt sowohl für «reine» Holzbauten wie auch für Hybridbauten. Holzfassaden an Gebäuden mittlerer Höhe (11 m bis 30 m Höhe) und mehr als 3 Geschossen erfordern bestimmte Brandschutzmassnahmen, um ein unkontrolliertes Ausbreiten eines Brandereignisses über die Fassade zu verhindern (gilt auch für Kompaktfassaden mit brennbaren Wärmedämmungen). Die Fassade muss grundsätzlich nach dem von der VKF anerkannten Stand der Technik konstruiert werden. Gleichzeitig brauchen aber Holzfassaden an hohen Gebäuden auch durchdachte Schutzmassnahmen, welche sich ideal mit den Brandschutzabschottungen pro Geschoss kombinieren lassen. Und die geschickte Architektin setzt diese Massnahmen gleich noch ein, um die Fassade zu gliedern, zu strukturieren und zu gestalten.
Baulicher Brandschutz – Löschanlagenkonzept (Sprinkleranlage)
Die aktuellen Brandschutzvorschriften verlangen nur in wenigen Fällen einen Schutz mit Sprinkleranlagen (bestimmte Nutzungen, Bauten oder Anlagen mit grossen Brandabschnittsflächen). Sie geben aber Spielraum, um mit Hilfe eines Löschanlagenkonzeptes den Feuerwiderstand des Tragwerks und der Brandabschnitte zu reduzieren.
Besonders interessant für Architektinnen und Architekten wird jedoch der Spielraum, welcher bei der Materialisierung entsteht. So können z.B. bei (vertikalen) Fluchtwegen oder in Beherbergungsbetrieben [a] (Alters- und Pflegeheime, Spitäler) Bauteile der RF1 (nicht brennbar) durch solche der RF3 (brennbar) ersetzt werden. Und auch im Hochhausbereich führt ein Löschanlagenkonzept zu einer Reduktion bei den geforderten Brandverhaltensgruppen, was ein wirtschaftlicher Holzeinsatz ja erst wirklich möglich macht. Natürlich haben Sprinkleranlagen auch Nachteile und verursachen Kosten (insbesondere auch im Unterhalt). Vor- und Nachteile wie auch die Kostenfrage sollten jedoch in einem früheren Stadium geklärt werden. Dies gilt insbesondere bei grossvolumigen Bauten und solchen, mit einem hohen Sicherheitsbedürfnis. Dabei sollte der sich nicht in Kosten auszudrückende Sicherheitsgewinn, welcher durch einen Sprinklerschutz erreicht wird, nicht vergessen werden.
Brandschutz – Fachplaner*in – QS-Verantwortliche*r
Gebäude werden immer komplexer, grösser und anspruchsvoller. Das gilt nicht nur für den Brandschutz, sondern auch für alle anderen Disziplinen des Bauens. Um die steigenden Anforderungen zu beherrschen, braucht es immer mehr Fachspezialist*innen für die Planung und die Realisierung. Bei sicherheitsrelevanten Themen wie dem Brandschutz ist auch eine entsprechende Qualitätssicherung sinnvoll und notwendig. Oft wird dabei argumentiert, dass diese wiederum zu einer weiteren Kostensteigerung beim Bauen führt. Hier sollte berücksichtigt werden, dass gute Fachplaner*innen und auch gute QS-Verantwortliche Brandschutz Optimierungsmöglichkeiten aufzeigen können. Dies gilt besonders dann, wenn sie frühzeitig in die Planung integriert werden und bereits bei konzeptionellen Fragen mitreden können (siehe Abschnitt Nutzungen - Brandabschnitte - Fluchtwege). Im Extremfall können Optimierungen in frühen Phasen und die damit verbundenen Kosteneinsparungen die Honorare der Fachspezialist*innen oder der QS-Verantwortlichen um einiges übertreffen.
Architekt*in – Brandschutzfachwissen
Was müssen nun Architekt*innen zum Brandschutz wissen? Sie können unmöglich zu allen Fachgebieten über das notwendige Fachwissen verfügen. Zudem sollten sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können um schöne, spannende, energieeffiziente und sichere Gebäude entwerfen und konzipieren, die in die Umgebung passen und benutzerfreundlich sind. Und doch sollten sie die Grundzüge der jeweiligen Materie kennen um bei Sitzungen mit den Fachplanenden auf Augenhöhe mitdiskutieren können. Normen- und Vorschriftenkenntnisse sind dazu eine gute Voraussetzung (auch im Brandschutz). Das Wissen, das man mit frühen Entscheidungen gewinnen und verlieren kann, sind aber ebenso wichtig. Und genau das möchte das CAS Brandschutz für Architektinnen und Architekten der BFH aufzeigen. Nebst den beschriebenen Grundlagen wollen die Referierenden die brandschutztechnischen Entwurfskriterien, die grundlegenden und wichtigsten Massnahmen beim baulichen und technischen Brandschutz, sowie einige Herausforderungen des Brandschutzes im Betrieb diskutieren. Dabei wird viel mit praktischen Beispielen und auch eigenen Projekten der Teilnehmenden gearbeitet.
CAS Brandschutz für Architekt*innen
Nach dem CAS Brandschutz für Architektinnen und Architekten sind Sie in der Lage, die brandschutztechnischen Rahmenbedingungen in allen Phasen des Bauprozesses einfliessen zu lassen (Vorstudie, Projektierung, Ausschreibung, Realisierung, Bewirtschaftung). Sie verfügen über vertiefte Kenntnisse der Brandschutzvorschriften und der behördlichen Abläufe und sind in der Lage, die Funktion der/s QS-Verantwortlichen Brandschutz in einem Planungsbüro zu übernehmen. Der Kurs richtet sich an Architekt*innen, Ingenieur*innen, Bauleiter*innen, Infrastrukturverantwortliche bei Investoren und öffentlichen Bauherren, die sich gezielt mit dem Thema Brandschutz in der Planung befassen möchten.
Ob vor Ort oder online – Vertiefen Sie Ihr Fachwissen im Brandschutz!
Start: 20. Januar 2022
Weitere Informationen: bfh.ch/ahb/casbrandschutzarchitektur
Zur Person
Hanspeter Kolb war bis Ende Juli 2021 Professor für Brandschutz und Holzbau an der Berner Fachhochschule. Der gelernte Zimmermann hat sich in Biel, an der ETHZ und der HSLU weitergebildet. Nach seiner Pensionierung leitet er weiterhin die Weiterbildungen Brandschutz im Holzbau, Brandschutz für Architektinnen und Architekten sowie das CAS Bauphysik im Holzbau.